Im Rahmen der Wirtschaftswoche 2023 waren drei unserer Gymnasiasten der 4. Klasse im Gespräch mit den Experten aus der Schweiz. Hier ist das Interview, das Isadora Valdemarca Stefanello, Hannes Caspar Lübke und Vitor Limas Schein geführt haben. Die Schweiz ist traditionell wirtschaftlich stark in Bereichen wie Bank- und Finanzwesen, Pharma und Maschinenbau. Sollte das Land […]
Im Rahmen der Wirtschaftswoche 2023 waren drei unserer Gymnasiasten der 4. Klasse im Gespräch mit den Experten aus der Schweiz. Hier ist das Interview, das Isadora Valdemarca Stefanello, Hannes Caspar Lübke und Vitor Limas Schein geführt haben.
Die Schweiz ist traditionell wirtschaftlich stark in Bereichen wie Bank- und Finanzwesen, Pharma und Maschinenbau. Sollte das Land Ihrer Meinung nach wirtschaftlich diversifizieren oder diese Strategie beibehalten?
Marlène Zürcher: Ich denke, die Strategie ist eine Folge der Möglichkeiten. Wir haben keine Rohstoffe, also müssen wir Produkte oder Dienstleistungen herstellen, und genau das tun wir. Wir müssen immer und immer wieder innovativ sein, denn wir können nicht einfach Öl aus dem Boden pumpen oder Diamanten herausholen, wir müssen etwas erschaffen. Insofern können wir in dem, was wir tun, noch besser werden, aber ich glaube, wir haben wirtschaftlich alles ausgeschöpft, was wir können.
Andreas Weigel: Ja, um noch mal ein paar Beispiele zu nennen: Wir haben bei der Werksbesichtigung bei Bosch gesehen, dass sie Maschinen von der Schweizer Firma Mikron haben; hochpräzise CNC-, Fräs- und Drehmaschinen. Es gibt andere Schweizer Hightech-Firmen wie Meyer Burger, die Fabriken für die Herstellung von Photovoltaikzellen aufstellen. Ich glaube, das ist so ein bisschen eine Schweizer Spezialität, dass man da führend ist, aber natürlich auch in anderen Bereichen – Biotech und so weiter.
Reto Sturzenegger: Einer der Vorteile, die wir in der Schweiz haben, ist definitiv, dass die Regierung nicht das Credo hat, die Wirtschaft zu kontrollieren oder zu beeinflussen. Es liegt also wirklich in der Verantwortung der Unternehmen und nicht der Regierung, ihnen zu sagen, was sie zu tun haben, was sie tun sollen, was erlaubt ist und was nicht. Ich glaube, das ist ein grosser Vorteil, den wir in der Schweiz haben. Und ich glaube, was uns wirklich von anderen Ländern unterscheidet, ist, dass wir diese sogenannten SMEs haben, die kleinen Unternehmen, die zwei bis maximal 1.000 Mitarbeiter haben.
Martin Eberhard: In gewisser Weise ist es umso besser, je weniger gemeinsame Bereiche es gibt. Denn dann hat man viel Freiheit zu tun, was man will. Und man hat keine Gesetze oder Steuern, die einen daran hindern, Geschäfte zu machen. Das hilft also.
Sandra Nonella: Ich glaube, das sind unsere Hauptsektoren, aber es gibt auch andere Unternehmen oder Sektoren. Und wie wir uns sonst diversifizieren können, das sehe ich nicht. Landwirtschaft zum Beispiel funktioniert nicht. Wir sind einfach zu klein.
Andreas Disler: Auch der Tourismus ist bis zu einem gewissen Grad beschränkt. Vor 30 Jahren war der Bankensektor in der Schweiz riesig, heute ist er es nicht mehr. Und im Vergleich zu den anderen Sektoren ist er auch nicht mehr so wählerisch. Sie haben also etwas von ihrem Marktanteil verloren.
Gibt es Ihrer Meinung nach etwas, das Schweizer Unternehmen in Bezug auf Swissness/Swiss Made von anderen unterscheidet?
Martin: Ich meine, Swissness ist für mich definitiv Verlässlichkeit. Das ist etwas, wo ich sagen würde, das steht wirklich für Swissness und Schweizer Produkte und alles. Und nicht nur Zuverlässigkeit, sondern auch, dass man Qualität erwarten kann, dass es hochwertiges Material ist, dass es gut gemacht ist, und damit gewinnt man sehr viel Vertrauen. Aber das scheint eine weltweite Sache zu sein, dass das auf dem Markt akzeptiert wird, dass Swissness sagt, wenn Sie Qualität wollen, dann kaufen Sie Swiss. Man zahlt mehr, aber man bekommt etwas, das lange hält. Und das ist eine gute Sache. Und das gilt nicht nur für Materialien, sondern auch für Dienstleistungen, für alle möglichen Dinge. Wenn es Swissness ist, erwartet man Qualität und Zuverlässigkeit.
Andreas D.: Vielleicht auch die Arbeitskräfte, denn wir haben das sogenannte duale System, wo man eine Lehre machen kann. Man geht also nicht an die Universität, man studiert nicht an der Universität. Die Person fängt also in einem Unternehmen an zu arbeiten und lernt während ihrer Karriere und macht später ihren Abschluss, was meiner Meinung nach auch hilfreich ist, denn es ist nicht so, dass die Leute nicht theoretisch gebildet sind. Es ist eher eine praktische Ausbildung.
Die COVID-19-Pandemie hat die Geschäftstätigkeit weltweit beeinträchtigt. Was haben die Schweizer Unternehmen aus dieser Erfahrung gelernt und wie können sie sich besser auf künftige Krisen vorbereiten?
Reto: Ich glaube, das war jetzt das erste Mal, dass eine Krise, eine globale Krise, die Unternehmen, auch kleinere Unternehmen, in eine Situation gebracht hat, wo sie sehr, sehr schnell reagieren mussten und, sagen wir mal, die IT-Infrastruktur aufbauen mussten, damit sie im Ausland arbeiten konnten. Aber sie haben es geschafft, sie waren sehr erfolgreich. Aber auf der anderen Seite ist COVID jetzt vorbei und wir haben jetzt eine andere Reise vor uns. Wir müssen uns jetzt auf andere Themen konzentrieren.
Martin: Ich meine, wir haben gelernt, mehr aus der Ferne zu arbeiten, das war ein grosser Fortschritt. Und als ein Unternehmen feststellte, dass es Notfälle geben könnte, haben alle Unternehmen ihre Notfallpläne aktualisiert und all diese Dinge. Aber abgesehen davon, denke ich, ist es gut, wie Reto gesagt hat. Und auch die Regierung hat wieder gezeigt, dass sie sehr schnell und sehr effizient allen Unternehmen helfen kann, die ohne die günstigen Kredite nicht überleben würden. Also ich denke, auch in diesem Bereich haben wir viel gelernt, auch die Regierung.
Wie stellen Sie sich die Zukunft der Arbeit in der Schweiz vor, einschliesslich der Trends zu Fernarbeit und anderen Arbeitsformen, und welche Qualifikationen werden für die Arbeitsplätze von morgen benötigt?
Martin: Seit der COVID-Pandemie gibt es definitiv mehr Fernarbeit. Aber es gibt auch eine Tendenz, dass die Menschen wieder in die Arbeitswelt zurückkehren, denn es gibt auch einen sozialen Aspekt, die Menschen müssen zusammenarbeiten. Aber ich glaube, die grösste Veränderung wird sein, und das ist keine spezifisch schweizerische Sache, dass all die technologischen Veränderungen in Bezug auf künstliche Intelligenz und alles andere einen enormen Einfluss auf das Ganze haben werden. Und wir wissen nicht, wie das in Zukunft aussehen wird, aber ich kann mir nur vorstellen, dass viele Jobs, die wir heute haben, in naher Zukunft, vielleicht schon in 10 Jahren, nicht mehr existieren werden, ich meine, viele Verwaltungsarbeiten oder viele Dinge, die wir im Bankwesen und im Büro machen, werden wahrscheinlich nicht mehr gebraucht werden. Und das wird enorme Auswirkungen haben, und zwar weltweit.
Reto: Nun, ich denke, es gibt definitiv eine Veränderung, wie Martin schon sagte, aber für mich liegt der Schwerpunkt, zumindest im Moment, nicht auf dem sozialen Teil. Es geht mehr darum, flexibel zu sein, von überall aus arbeiten zu können. Aber man darf die persönliche Interaktion nicht unterschätzen. Denn das ist sehr wichtig, weil wir Menschen sind.
Marlène: Also ich glaube, die Generation Z wird da auch einen grossen Einfluss haben. Kurzzeitjobs sind da, Fernarbeit, ich habe selber Kinder in diesem Alter, die sind 30 und 32 und für die, vor allem für die Tochter, ist Work-Life-Balance etwas ganz Wichtiges, also das wird schon eine Veränderung geben. Wir arbeiten 10-12h am Tag, das ist uns egal. Und die nächsten Generationen werden das nicht mehr machen. Weil Work-Life-Balance wichtig ist, glaube ich, wird es mehr Teilzeitjobs geben, mehr Jobs, wo man von zu Hause aus arbeitet, weil man nicht vor Ort sein will, um einfach mehr Lebensqualität zu haben.
Während der Wirtschaftswoche simulierten wir SMEs (Small and Medium Enterprises), die für die Schweizer Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Welche Strategien kann ein solches Unternehmen anwenden, um auch in wirtschaftlich turbulenten Zeiten zu wachsen?
Reto: Ich glaube, dass die SMEs auch in der Vergangenheit sehr stark auf den wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Teil konzentriert waren. Sie haben gezeigt, dass sie sehr innovativ sein können, vielleicht sogar etwas konservativ in ihrer Risikokultur. Und ich glaube, dass diese Unternehmen in der Lage sind, die eine oder andere Turbulenz in der Wirtschaft auszuhalten. Und wir haben das auch während der COVID-Pandemie gesehen, dass diese SMEs sehr stabil sind.
Martin: Sie müssen, wie Reto gerade erwähnt hat, sehr innovativ bleiben und auch diese Art von Nischenpolitik betreiben, wo sie sich auf ganz bestimmte Dinge konzentrieren und gleichzeitig weiterhin die Qualität liefern, für welche die Schweiz bekannt ist. Und das tun sie, und das ist ein sehr wichtiger Hintergrund für die gesamte Schweizer Wirtschaft, für all diese SMEs. Ich glaube, etwa 90 Prozent der Menschen, die in der Schweiz arbeiten, sind in SMEs beschäftigt. Das ist also ein sehr, sehr grosses Rückgrat. Und es sind nicht die Grossen, es sind die Kleinen. Und natürlich kommt man wieder auf das ganze Umfeld zurück: Wenn man in einem stabilen Umfeld arbeiten kann, ist es viel einfacher.
Andreas W.: Ich glaube, dass die Schweizer SMEs eine wichtige Rolle auf dem globalen Markt spielen, weil sie Nischenprodukte anbieten, typischerweise Hightech-Produkte, die weltweit eingesetzt werden, aber es gibt zum Beispiel auch Bereiche wie die Architektur, wenn man an Herzog und de Meuron denkt, die zum Beispiel das Olympiastadion in Peking gemacht haben, dieses Nest, oder auch Mario Botta als Architekturexport der Schweiz. Ich bin mir sicher, dass es in jeder Branche Beispiele gibt, wo kleine Schweizer Firmen einen globalen Einfluss haben.
Die Wirtschaftswoche ist eine Veranstaltung für SchülerInnen der Schweizerschulen Curitiba und São Paulo. Mit der Unterstützung der Stiftung wirtschaftsbildung.ch (ehemals Ernst Schmidheiny Stiftung) aus der Schweiz sind wir überzeugt, dass solche Gelegenheiten von grundlegender Bedeutung sind, um eine Reihe praktischer Fähigkeiten wie kreative Problemlösung, Teamarbeit und Entscheidungsfindung zu fördern und unsere jungen Menschen darauf vorzubereiten, in globalen Zusammenhängen verantwortungsvoll und selbstbewusst zu handeln.